(Name des Herrn Professors wurde aus Sicherheitsgründen geändert)

H.F: Lieber Herr Professor Dr. Pottschacher. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind und sich trotz Ihres Rückzugs aus dem öffentlichen und universitären Leben bereit erklären, diesen Interview zu geben.

Prof. Dr. Pottschacher:  Ja, ich habe festgestellt, dass die mahnenden Stimmen, Menschen von Bedeutung sich nicht mehr erheben, um diesem Land wieder Gewissen und Moral zurückzugeben. Ich habe mich immer mehr auf meine Lehrtätigkeit beschränkt und bin auch nicht im Internet zu finden, man wird mich da vergeblich suchen, aber ein Mensch ist ja sowieso nicht im Internet zu finden.

H.F.: Wir wollen uns heute eine Partei unter die Lupe nehmen, die symptomatisch für viele andere Parteien auch in anderen Ländern steht, und die besonders in letzter Zeit durch Skandale auf sich aufmerksam gemacht hat. Es steht nicht mal die Analyse ihres Verhalten im Vordergrund, sondern ihre Berechtigung.

Pottschacher: Ja natürlich habe ich mich ausführlich mit dem Gebahren, den Strategien  dieser Partei befasst und dies auch schon publik gemacht. Diverse Internetauftritte dieser Partei und ihrer Wähler haben mich veranlasst nach dem Ibizaskandal wieder öffentlich zu werden.

HF: Heißt das, Sie haben einen dringenden Ruf verspürt dies zu tun?

PP: Ja, nicht die Partei selber ließ mich aufwachen, sondern das Verhalten Ihrer Wähler, ihre Aussagen in Internetforen. Es ist schier unglaublich, was man da an Unmenschlichkeit, Hass, Menschenverachtung, Rassismus, Abwertung, Fanatismus lesen kann. Ein Kind wird an den Pranger gestellt und beschimpft. Für andere, die und das ist sehr schlimm, ein Verbrechen begangen haben, werden die drakonischten Strafen gefordert.
Man wähnt sich wieder im Mittelalter. Ich fragte mich, ist es die Unbeschwertheit des Tippens im Internet, die Verrohung und Verdummung durch unsere Medienlandschaft, vermutlich alles zusammen.

HF: Ist das ein Spezifikum auf diesen Seiten oder ist diese Tendenz auch anderswo spürbar?

Pottschacher: Leider ist sie auch anderswo spürbar, aber dort tritt sie am offensichtlichsten zu Tage.
Nun ich möchte mich aber nicht damit aufhalten, sondern gleich zur Sache kommen.
1983 hatte die FPÖ keine 5 %. 1986 um die 9 % des Stimmenanteils. Frischenschlager hat mit den Deutschnationalen geliebäugelt, Haider hat die Großparteien verurteilt, aber immer mehr das Ausländerthema aufgegriffen, und je mehr er das hat, desto erfolgreicher wurde diese Partei. Heute ist das Thema, ich will es kurz “Ausländer” nennen, der eigentlich einzige Inhalt dieser Partei, oder sozusagen ihr Erfolgsrezept. Warum? In Österreich herrschen zwei Dinge, die im Grunde genommen in einer immer transkultureller werdenden Welt mit latenter Ausbeutung vieler Völker, offensichtlich sind. Das muss man verstehen, wenn ich von der Psyche eines Staates spreche.
Die Österreicher, und damit meine ich nicht alle, leiden unter Verlustangst. Das Wirtschaftssystem hat keine ausgeglichene Waage gebracht. Noch immer sind verschiedene Völker seit der Kolonialisierung ausgebeutet von Konzernen, korrupten Machthabern, die mit ihnen zusammenarbeiten usw. Leider gedenkt man in solchen Kreisen eher der Schlacht am Kahlenberg, der Befreiung von möglicher Fremdherrschaft, als dass man daran denkt, dass viele Völker jahrhundertelang unter einer solchen Fremdherrschaft zu leiden hatten und diese Konsequenzen immer noch zu spüren sind. Als zweites leiden die Österreicher unter Angst vor Fremden. Es gibt vermutlich kein ungastfreundlicheres Volk als die Österreicher. Als ich als Jugendlicher von fremden Ländern zurückgekehrt bin, war es für mich immer ein Schock, diese Menschen hier zu sehen. Wie groß muss der Schock erst für einen Zuwanderer sein, in einem Land in dem er so wenig Herzlichkeit und Wärme findet.

H.F.: Welche Berechtigung hat also die FPÖ? Was würde sein, wenn es sie nicht gäbe?

Pottschacher: Die FPÖ verkörpert den Teil der Angst in unserer Psyche, also in der Psyche eines Staates. Denken Sie an sich selber. Man hat es schön, man lebt gut, dann kommt Bedrohliches.
Ein Mann, der am anderen Ende des Dorfes wohnt wie sie und dem ihre Urgroßeltern alles weggenommen haben, wird ihnen Angst machen und sie werden Zäune bauen. Diese Angst ist auch in den meisten anderen Menschen vorhanden, auch wenn sie dies nicht zugeben. Da ist zum einen, die Befürchtung, gleich als Nazi abgestempelt zu werden, wenn man sagt, ja es macht mir Angst, wenn Menschen aus einer starken Kultur und einer teils für unsere Begriffe fanatisch erscheinenden Religion hier herkommen. Und ich habe mir auch gedacht, viele Männer, die patriachalisch aufgewachsen sind und westliche Frauen aus Pornofilmen kennen und das tun sie meistens, werden dieses Bild in ihren Köpfen haben. Das ist sehr schwierig, da keine Vorurteile zu haben und keine Angst zu haben. Die Stärke der FPÖ macht vor allem aus, dass sich andere Parteien zu wenig, zu einem klareren Umgang mit Migrationsproblemen wie der Schlepperproblematik äußern. Das macht sie stark. Viele Menschen brauchen das und wollen auch einfache Antworten und Lösungen für komplexe Probleme. Es wird nur eine Lösung geben in einer internationalen Zusammenarbeit. Staaten, in armen Ländern, die weniger von Korruption betroffen sind, sollten massiv gefördert werden. Das verlangt auch Opfer hier. Unsere Macht gegenüber einem indischen Bauern, der 5 Euro im Monat verdient ist unverhältnismäßig groß. Die Menschen in diesen Ländern können es nicht durch Streiks oder Biolandwirtschaft schaffen, das System zu ändern. Weder ist das Wissen da, noch die Macht.

Ich denke, dass das, was sich da jetzt an schlimmen Stimmen ausbreitet, an Fanatismus usw. ein Ventil ist, wenn sie wollen: die Büchse der Pandora ist geöffnet. Unzufriedenheit auch am Wohlstand, aber ein nicht Loslassenkönnen von ihm spielen mit. Ein Franz Fuchs hatte andere Ventile, und die waren auch nicht gesund. Also wie können wir das, was aus der Büchse rauskommt in eine andere Richtung lenken? Das ist die Frage, auf die ich auch noch keine Antwort weiß, aber gewiss, die Seiten müssen sich entgegenkommen, es gibt kein links und rechts mehr, das sind überalterte Begriffe und sie werden teils von beiden Seiten instrumentalisiert.

Man muss unterscheiden zwischen den Wählern einer solchen Partei und den Funktionären. Diese nützen es beinhart aus, dass die Menschen Angst haben, sie kultivieren die schlechten Seiten in den Menschen, obwohl sie von Heimat sprechen. Heimat kann das Ausserland sein und die Menschen fühlen sich als solche, als Ausseer oder das Mühlviertel, das braucht man ja nicht noch zu betonen, und wer soll einem das wegnehmen. Man kann es besetzen. Aber Kreta war viele Jahre besetzt von den Türken, Venezianern, Deutschen dennoch haben sie nicht ihre Heimat verloren. Der Politiker solcher Parteien neigt zur Korruption, er ist ein Hungriger, vielleicht ein Getretener und auch der sogenannte kleine Mann, der ihnen blauäugig glaubt ist dies und kann, wenn er an der Macht ist folgen, er wird genau so werden. In diesem Sinne gibt es keinen Unterschied, darum auch das große Verständnis für Strache. Man holt sich Vorteile raus wo es nur geht, man schimpft über die Nachbarn, so schimpft man jetzt über die Ausländer. Dazu kommt der massive Hass des sogenannten kleinen Mannes gegenüber dem Bildungsbürgertum, dem er hohles Wissen vorwirft, gegenüber dem Establishment, der ihn wirtschaftlich zu steuern scheint, aber von beiden ist er massiv in seinem Wohlstand abhängig, darum sucht er sich heraus, was ihn nicht bedroht und klammert sich an kleine Männer aus dem Volk oder andere Populisten, wie Trump, die vorgeben dagegen zu sein. Das wird von den Menschen an der Macht schamlos ausgenutzt.

Der Österreicher hat in Vergleich etwa zum Italiener oder Franzosen oder den meisten Völkern in Europa ein sehr kleines Bewusstsein ein Österreicher zu sein. Ich glaub kaum jemand will ein Großdeutschland. Vielleicht ist das wichtig in der Psyche eines Staates. Man muss diese Psyche und ihre Anteile berücksichtigen, man darf sie nicht verharmlosen oder verurteilen. Ein gewisses Entgegenkommen wird notwendig sein. Man sucht das, was man als Gemeinschaft vermisst in einem imaginären Zusammenschluss von Menschen, die gegen etwas im Außen sind. Die FPÖ nennt es Heimat oder auch Familie. Das ist eine reine Konstruktion.

H.F.: Als abschließende Frage: Sehen sie global eine Lösung für dieses Problem?

Pottschacher: Leider muss ich sagen, dass, wenn kein Bewusstseinswandel stattfindet oder uns keine Außerirdischen retten, was zu anderen Problemen führen würde, sehe ich die Zukunft nicht rosig.

Es wird zu Katastrophen kommen und zwar zu schlimmen, auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Erst dadurch wird es eine Chance für diese Spezies geben.